
Wunder
Wunder sind für Propheten ein Mittel zur Bestätigung ihrer
Behauptung hinsichtlich ihrer Prophetenschaft und der besonderen Beziehung zu
Gott mit der daraus resultierenden Folge, dass sie aus der verborgenen Welt
Botschaften empfangen. Folglich müssen die Wunder, die durch sie vollbracht
werden, Spuren und Elemente übernatürlichen Ursprungs aufweisen und derart
sein, dass die übrige Menschheit außerstande ist diese auszuführen.
Allerdings muss hierbei unterstrichen werden, dass kein
Prophet die Einladung zu Gott gleich von Beginn an mit der Ausführung von
Wundern paarte. Denn diese wurden nur getätigt, damit auch die letzten Zweifel
bei den Leugnern ausgeräumt werden. Die Botschaft der Propheten ist eins zu
eins deckungsgleich zur Wahrheit und steht mit der authentischen natürlichen
Veranlagung sowie dem gesunden Menschenverstand in Übereinstimmung. Der heilige
Qur’an spricht in Bezug auf die Botschaft der Propheten:
„Fürwahr sind die Gesandten unseres Herrn mit der Wahrheit
gekommen.“
„O ihr Menschen, zu euch ist die Wahrheit von eurem Herrn
gekommen.“
Somit wird im heiligen Qur’an erklärt, dass die an der
Wahrheit interessierten Denker die Einladung zur Wahrheit mit offenen Armen
willkommen heißen, wohingegen diese von denjenigen, die die Wahrheit nicht in
ihrem Interesse sehen, abgelehnt wird, wobei sie sich in ihrem Herzen den
Wahrheitsgehalt der Botschaft durchaus eingestehen: „Und sie verleugneten sie,
obwohl ihr Inneres darüber Gewissheit hegte, aus Ungerechtigkeit und
Überheblichkeit.“
Der heilige Prophet Moses wurde zu einer Zeit zum Propheten
berufen, in der die Magie und die Hexerei in der Gesellschaft großen Anklang
fanden. Und so musste Moses zur Bestätigung seiner Wahrhaftigkeit ein Wunder
vollbringen, welches von den Menschen seiner Zeit in einer Art und Weise
nachvollzogen werden musste, dass sie zur Überzeugung gelangten, dass Moses ein
von Gott entsandter Prophet ist. Der heilige Qur’an spricht über das Wunder
Mose:
„Er warf seinen Stab, und da war er eine offenkundige
Schlange. Und er zog seine Hand heraus, da war sie weiß für die Zuschauer.“

Seine Exzellenz führte in einer Situation sein Wunder aus,
in der er mit seiner Verleugnung durch den Pharao und seiner Gefolgschaft
konfrontiert wurde. Sie verlangten von ihm einen Beweis für seine Ausführungen
und Behauptungen. Gott befahl Moses und Aron: „Geht zu Pharao und sagt: Wir
sind der Gesandte des Herrn der Welten.“
Nach einer Diskussion mit Moses wurde der Pharao wütend und äußerte unverhohlen
ohne jeglichen nachvollziehbaren Grund: „Wenn du dir einen anderen Gott als
mich nimmst, werde ich dich sicher zu einem der Gefangenen machen.“
Daraufhin entgegnete Moses sanftmütig: „Was aber, wenn ich dir eine offenkundige
Sache bringe?“ Der
Pharao ging darauf ein und äußerte: „So bring sie her, wenn du zu denen
gehörst, die die Wahrheit sagen.“
Sodann zog Moses seinen Stab und seine leuchtende Hand. Als der Pharao als
Reaktion darauf eine Gruppe von Zauberern und Hexern zu sich an den Hof rief,
um es mit Moses aufzunehmen, wurden ihnen noch vor allen anderen die
Rechtmäßigkeit und Wahrhaftigkeit der Prophetenschaft Moses vor Augen geführt,
da sie als Zauberer und Hexer nur allzu gut darüber Kenntnis besaßen, dass die
von Moses durchgeführten Aktionen keinen Bezug zu ihren Tricksereien hatten und
tatsächliche Wunder darstellten.
Zur Zeit des Propheten Jesus waren Heilkünste in der
Gesellschaft hoch im Kurs und so genossen Heiler und Mediziner eine
außerordentliche soziale Stellung, weshalb seine Wunder aus diesem Holze
geschnitzt waren, damit die Menschen den übernatürlichen Charakter der
Handlungen von Jesus besser nachvollziehen konnten. Der heilige Qur’an spricht
dahingehend:
„Und als Gott sprach: «O Jesus, Sohn Marias, gedenke meiner
Gnade zu dir und zu deiner Mutter, als Ich dich mit dem Geist der Heiligkeit
stärkte, sodass du zu den Menschen in der Wiege und als Erwachsener sprachst;
und als Ich dich das Buch, die Weisheit, die Tora und das Evangelium lehrte; und
als du aus Ton etwas wie eine Vogelgestalt mit meiner Erlaubnis schufst und
dann hineinbliesest und es mit meiner Erlaubnis zu einem Vogel wurde; und als
du Blinde und Aussätzige mit meiner Erlaubnis heiltest und Tote mit meiner
Erlaubnis herauskommen ließest.“
Zur Zeit des barmherzigen Propheten Muhammad waren Gedichte
und literarische Kenntnisse in der Gesellschaft angesagt und so genossen
Dichter und Literaten ein besonderes gesellschaftliches Ansehen. In diesem
Sinne bildet der heilige Qur’an das Wunder des Propheten Muhammad. Der heilige
Qur’an wurde auf die eloquenteste Art und der aussagekräftigsten Methode mit
der inhaltsreichsten Bedeutung an die Menschen jener Zeit vorgetragen und da
die damaligen Araber eine besondere Aufmerksamkeit auf dichterische und
literarische Erzeugnisse legten, konnten sie innerhalb kurzer Zeit nur allzu
gut erkennen, dass es sich beim heiligen Qur’an gewiss um kein Produkt
menschlichen Ursprungs handeln konnte. In diesem Sinne fordert der heilige
Qur’an diejenigen heraus, die am heiligen Propheten und seiner Legitimität
zweifeln:
„Und wenn ihr im Zweifel seid über das, was Wir auf unseren
Diener hinabgesandt haben, dann bringt eine Sure gleicher Art herbei.“
„Oder sagen sie: Er hat ihn sich selbst in den Mund gelegt?
Nein, vielmehr glauben sie nicht. Sie sollen doch eine Botschaft gleicher Art
beibringen, so sie die Wahrheit sagen.“
In den vorangegangenen Büchern der Propheten waren die
Botschaften und Bedeutungen von Gott bestimmt, doch die Wahl der Wörter und Begriffe
trafen die Propheten selbst, wohingegen beim heiligen Qur’an sowohl der Inhalt
wie auch die Wörter von Gott bestimmt wurden ohne dass der barmherzige Prophet
darin eine Rolle spielte. In diesem Lichte fordert der heilige Qur’an alle
Menschen und Dschinn heraus:
„Sprich: Wenn die Menschen und die Dschinn zusammenkämen, um
etwas beizubringen, was diesem Qur‘an gleich wäre, sie brächten nicht
seinesgleichen bei, auch wenn sie einander helfen würden.“
Einst setzte sich Abu al-Walid Utbah ibn Rabi’ah, der als
Oberhaupt des Stammes der Quraysch betrachtet wurde, zu den anderen
Stammesoberhäuptern der Quraysch in der Moschee zu Mekka. Der barmherzige
Prophet des Islam saß ebenfalls in der Moschee, jedoch an einem anderen Ort.
Utbah schaute auf die Stammesoberhäupter und sprach: „Seid ihr damit
einverstanden, dass ich mit Muhammad, nun wo er hier alleine ist, spreche, auf
dass ich ihn vielleicht überzeuge endlich von seiner Einladung zum Islam
abzusehen?“ Die Versammlung entgegnete: „Wenn du es dir zutraust, so gehe und
spreche mit ihm und versuche ihn auf jede Art und Weise auch immer zu
überzeugen.“
Utbah ging zum Propheten und äußerte: „O Sohn meines
Bruders, du
kommst aus einer achtbaren Familie, doch behauptest du etwas, was zu Zwietracht
unter deinem Volk geführt hat. Höre mir nun gut zu, damit ich dir etwas sage.“
Der Prophet erwiderte: „So sprich, ich höre dir zu.“ Utbah fuhr fort: „O Sohn
meines Bruders, wenn es dein Ziel ist Vermögen anzuhäufen, so werden wir dir so
viel an Materiellem geben, dass du zum wohlhabendsten Menschen der Quraysch
wirst. Wenn du Macht willst, werden wir dich zu unserem Oberhaupt bestimmen.
Wenn du willst, machen wir dich zu unserem Führer. Was sich dir erscheint und
zu dir flüsterst, rührt aus einer Erschütterung her, die deine Nerven in
Mitleidenschaft gezogen hat. Wir sind bereit dich auf unsere Kosten heilen zu
lassen und hierbei werden wir keine Kosten und Mühen scheuen.“ Utbah sprach und
sprach, während der Prophet all seinen Worten lauschte. Als er fertig war, fragte
der Prophet: „Bist du nun fertig mit deiner Rede?“ Utbah bejahte und nun setzte
der Prophet an: „Nun höre du mir gut zu. ‚Im Namen Gottes, des Gnädigen, des
Begnadenden. Ein Buch, dessen Zeichen im Einzelnen dargelegt sind, als
arabischer Koran, für Leute, die Bescheid wissen. Als Freudenbote und Warner.‘“
Der Prophet fuhr fort und Utbah hörte gespannt seiner atemberaubenden
Rezitation zu, bis er an dem Vers ankam, der eine verpflichtete Niederwerfung
beinhaltet und sich der Prophet folglich zur Niederwerfung begab. Sodann sprach
er: „O Abu al-Walid, du hast gehört, was ich dir verlesen habe, nun denke
darüber nach und treffe ein Urteil.“ Utbah kam aus der Trance, in der er sich
befunden hatte, heraus und ohne etwas zu sagen ging er zurück zu den anderen Stammesoberhäuptern.
Sie konnten eine Veränderung an ihm feststellen und sprachen: „Was hast du für
Neuigkeiten?“ Utbah entgegnete: „Was ich erzählen kann, ist, bei Gott, dass ich
einer Rede gelauscht habe, die in ihrer Eloquenz unerreicht ist. Sie war weder
ein Gedicht, noch eine Zauberei wie ihr glaubt.“ Die Oberhäupter sprachen
entsetzt: „O Abu al-Walid, Muhammad hat dich mit seinen Worten also verhext!“