
Die Art und Weise der Offenbarung
Wir erwähnten, dass der barmherzige Prophet, der Friede
Gottes sei mit ihm und seiner Familie, im Zuge der direkten Offenbarung ein
Gefühl der Schwere verspürte. Infolge dieser Schwere erwärmte sein Körper und
auf seiner gesegneten Stirn bildeten sich Schweißperlen. Falls er in einem
solchen Zustand auf einem Reittier saß, senkte es sich beinahe zu Boden. Imam
Ali, der Friede sei mit ihm, spricht: „Als die Sura Al-Ma’ida dem Propheten
offenbart wurde, ritt er ein Kamel, welches „Schahba“ genannt wurde. Der Druck
der Offenbarung wog derart schwer, dass das Tier stehen blieb und in Richtung
Boden sackte. Als ich sah, dass sein Bauch beinahe in Berührung mit der Erde
kam, überkam es dem Propheten und er legte seine Hand auf einen seiner
Gefährten.“ Ubadah
ibn Samit überliefert: „Während der Herabsendung einer Offenbarung zogen sich
die Wangen vom Propheten, der Friede Gottes sei mit ihm und seiner Familie,
zusammen und seine Farbe wandelte sich. In dieser Verfassung senkte er seinen
Kopf und die Gefährten taten es ihm gleich.“
Die Geschichte um
Waraqah ibn Nufel
Waraqah ibn Nufel war ein
Cousin von Chadidscha, der vergleichsweise gebildet war und mehr oder weniger
Informationen über den Werdegang der Propheten besaß. Über ihn heißt es, dass
er den Kummer und die Sorgen des barmherzigen Propheten zu Beginn seiner
Berufung nahm und ihm Trost spendete. Al-Bukhari, Muslim, Ibn Hischam und
Al-Tabari erzählen die Geschichte wie folgt:
Als sich Muhammad in der
Höhle Hira ausschließlich Gott widmete, ertönte plötzlich ein Laut in seinem
Ohr, der ihn rief. Er erhob seinen Kopf, damit er sehen konnte, von wem er kam
und sah sich sodann mit einem angsteinflößenden Wesen konfrontiert. Egal wohin
er sich begab, sah er sein furchtbares Gesicht. In diesem Zustand der Angst fiel
er für einige Zeit in Ohnmacht. Schließlich führte seine Abstinenz zur Sorge
seiner Ehefrau Chadidscha, sodass diese jemanden nach ihm aussendete, doch er
war nicht imstande den Propheten ausfindig zu machen. Schlussendlich erwachte
der Prophet und begab sich in einem Zustand der inneren Leere und Unruhe nachhause.
Chadidscha fragte ihn, was ihm vorgefallen sei, woraufhin ihr entgegnet wurde:
„Mir ist das widerfahren, wovor ich mich fürchtete.“ Chadidscha entgegnete,
dass er keine Zweifel an sich haben sollte, schließlich sei er ein Mann Gottes
und Gott verlässt so jemanden nicht. „Sicherlich ist es die frohe Kunde einer
leuchtenden Zukunft“, so Chadidscha. Um den Kummer des Propheten vollkommen zu
entfernen, nahm sie ihn mit zu Waraqah ibn Nufel und schilderte diesem das
Geschehnis. Waraqah stellte dem Propheten daraufhin einige Fragen und sprach am
Ende dieses Prozesses zum Propheten: „Sei nicht bekümmert, dies ist eben jene
rechte Botschaft, die zuvor auch Moses offenbart wurde und nun auch dich ereilt
hat. Sie berichtet über deine kommende Prophetenschaft.“ Als der Prophet diese
Worte vernahm, beruhigte er sich und sprach erleichtert, dass er nun weiß, er sei
ein Prophet.
Diese Geschichte gehört
zu den frei erfundenen Erzählungen, die seitens Personen mit Groll im Herzen
aus den ersten beiden Jahrhunderten des Islam in Umlauf gebracht wurden. Sie
stellten sich als Muslime vor und beabsichtigten mit der Verbreitung von
solchen surrealen Geschichten die allgemeine Öffentlichkeit bei Laune zu halten
und überdies in den Glaubensüberzeugungen für Verwirrung und Fehler zu sorgen
und letzten Endes dem Islam vollends den Garaus zu machen.
Wie könnte es möglich
sein, dass einem Propheten, der sämtliche Stufen der Vervollkommnung erreicht
hat und bereits weit vor seiner eigentlichen Berufung zum Propheten die Kunde
über seine Prophetenschaft in sich spürte, derlei Wahrheiten verborgen bleiben?
Vor allem auch unter Betrachtung dessen, dass er den Gipfel des Intellekts in
sich vereinigte:
إنّ اللّه
وجد قلب محمد صلّى اللّه عليه و آله أفضل القلوب و أوعاها، فاختاره لنبوّته
Wie sollte es möglich
sein, dass ein Mensch mit derartigen Exzellenzeigenschaften in einer solch
brisanten Situation sorgenreich wird und an sich zweifelt, während diese Sorgen
und der Kummer anschließend durch die Erfahrung seiner Frau und die Fragen
eines Mannes mit einfacher Bildung plötzlich ausgeräumt werden und er zur
Überzeugung gelangt ein göttlicher Prophet zu sein?
Weiterhin bestehen
folgende Kritiken an der aufgeführten Erzählung:
1.
Die Überlieferungskette der Geschichte schließt nicht lückenlos an den
ersten Erzähler an. Deshalb kann sie nicht als vollkommen authentisch
klassifiziert werden.
2.
Diese Geschichte wurde in unterschiedlichen Versionen überliefert, welches
an und für sich ein Merkmal für ihre falsche Konstruktion darstellt. So wird in
einer anderen Erzählung berichtet, dass Chadidscha alleine zu Waraqah gegangen
ist. Oder in einer anderen Geschichte wird wiederrum erzählt, dass Waraqah den
Propheten im Zustand der Umkreisung des Gotteshauses getroffen habe. Woanders
wird überliefert, dass Abu Bakr zu Chadidscha kam und ihr sagte, dass sie
Muhammad zu Waraqah bringen solle. Die unterschiedlichen Versionen erreichen
ein Ausmaß, die den Leser in Verwirrung darüber bringen lässt, ob und welcher
Version er nun trauen soll, da sie miteinander nicht in Vereinbarung zu bringen
sind.
3.
In den meisten Überlieferungstexten wird ferner über Waraqah aufgeführt,
dass dieser dem Propheten seine Gefolgschaft versichert haben soll, falls er
seine Berufung als Prophet miterleben sollte. Obwohl Waraqah dann tatsächlich
Zeuge seiner Berufung wurde und zu diesem Zeitpunkt noch am Leben war, wurde
ihm niemals die Ehre zuteil ein Anhänger der Religion des Islam zu werden.

Die Schreiber der
Offenbarung
Der Prophet des Islam
wurde von keiner Person im Zustand des Lesens und Schreibens gesehen. Deshalb
wurde er als „Ummi“ bezeichnet, also jemand, der hinsichtlich des Lesens und
Schreibens gleich einem Säugling ist, der soeben aus dem Schoß seiner Mutter
auf die Welt gekommen ist und von keinem Lehrer im Alphabet unterrichtet wurde.
Auch vom heiligen Qur’an wird er so bezeichnet:
· Diejenigen, die dem
Gesandten, dem Propheten, dem Ungelehrten, folgen. [3]
· So glaubt an Allah und Seinen
Gesandten, den ungelehrten Propheten. [4]
· Er ist es, Der unter den Ungelehrten
einen Gesandten von ihnen hat erstehen lassen. [5]
Es ist zu beachten, dass
das nicht gelehrt worden sein nicht gleichbedeutend mit der Unfähigkeit
hinsichtlich des Lesens und Schreibens einhergeht. Was mit dem Qur’an als
Wunder im Zusammenhang steht, ist, dass dieser nicht durch den Propheten
niedergeschrieben und seine Schrift durch ihn nicht verlesen wurde. Es kann
somit nicht davon ausgegangen werden, dass der Prophet des Islam nicht lesen
und schreiben konnte. Der heilige Qur’an spricht dahingehend:
„Und du hast vordem kein
Buch verlesen und es auch nicht mit deiner rechten Hand geschrieben. Sonst
würden wahrlich diejenigen zweifeln, die (es) für falsch erklären.“
Dieser Vers ist ein Beleg
dafür, dass der Prophet nichts niederschrieb und verlas, doch er ist kein
Nachweis dafür, dass er nicht imstande war zu lesen und zu schreiben. Und dass
er trotz der Fähigkeit dazu nichts geschrieben und verlesen hat, ist an und für
sich genug gewesen, um seine Widersacher zum Verstummen zu bringen, da sie den
Propheten für einen Analphabeten hielten.
Weiterhin ist das Wissen
um die Schrift ein Wert und die Kenntnislosigkeit gegenüber der Schrift ein
Mangel. Da sämtliche Exzellenzeigenschaften des Propheten durch die besondere
Gnade Gottes in ihm entstanden sind und er zu keiner Zeit bei einem Lehrer am
Unterricht teilgenommen hat, er folgerichtig göttliches Wissen besaß, ist ein
solcher Mangel mit der Heiligkeit des Wesens des barmherzigen Propheten nicht
in Vereinbarung zu bringen.
Dass er absichtlich vor
anderen nicht geschrieben und gelesen hat, diente dazu, die Beweisführung über
seine Widersacher abzuschließen und jeglichen Zweifel darüber auszuräumen, dass
der heilige Qur’an von der Bibel oder der Thora entnommen wurde und somit kein
göttliches Buch darstellt. Deshalb benutzte der Prophet Personen, die die
Offenbarungen zu den verschiedenen Anlässen verschriftlichten. Dafür wählte er
in Mekka und Medina die gebildetsten und erfahrensten Personen aus.
Die erste Person, die in
Mekka für das Amt des Schreibers ausgewählt wurde, war seine Exzellenz Ali ibn
Abi Talib, der Friede Gottes sei mit ihm. Der Prophet bestand darauf, dass Imam
Ali das Offenbarte niederschreibt und dokumentiert, damit nichts vom heiligen
Qur’an verloren geht und die göttliche Offenbarung stets ein Begleiter seiner
Exzellenz Ali wird. Bis zum Ableben des Propheten betraute er dieses Amt.

Als die Menschen sich in
der Moschee von Kufa um seine Exzellenz Imam Ali versammelten, sprach er:
„Fragt mich, solange ich noch unter euch weile. Fragt mich über das Buch
Gottes. Bei Gott, es wurde kein Vers offenbart, der nicht durch den gütigen
Propheten für mich vorgetragen, ausgelegt und erläutert wurde.“ Abdullah ibn
Amr Jaschkeri, bekannt unter dem Namen Ibn al-Kawwa‘, fragte: „Wie ist es mit
den Offenbarungen, bei denen Sie nicht zugegen waren?“ Imam Ali antwortete:
„Als ich zum Propheten ging, sagte dieser: ‚O Ali, während deiner Abwesenheit
sind einige Verse offenbart worden.‘ Sodann unterrichtete er mich darüber und
erläuterte mir ihre Auslegung.“
Die erste Person, die in
Medina mit der Verschriftlichung der Offenbarung betraut wurde, war Ubay ibn
Ka’b al-Ansari. Er war schon in der vorislamischen Zeit mit der Schrift
vertraut. Er gehörte zu denen, denen die Ehre zuteilwurde den kompletten Qur’an
vom Propheten aufgesagt zu bekommen.
Zayd ibn Thabit hatte in
der Nachbarschaft zum Propheten in Medina ein Haus und konnte schreiben. Immer
wenn der Prophet zu Beginn der Angelegenheit in Medina jemanden benötigte, der
die Offenbarung verschriftlicht und Ubay ibn Ka’b nicht zugegen war, ließ er
Zayd ibn Thabit zu sich rufen, damit dieser die Offenbarung niederschreibt.
Dementsprechend waren die
hauptsächlichen Schreiber der Offenbarungen Ali ibn Abi Talib, Ubay ibn Ka’b
und Zayd ibn Thabit. Ihnen folgten andere Schreiber, die aber eine eher
untergeordnete Rolle einnahmen.
Zur Zeit des Propheten
schrieb man auf alles, worauf es möglich war zu schreiben, u.a.:
1.
Auf der breiten Seite der Zweige von Dattelbäumen
2.
Auf schmale und helle Steine
3.
Auf Blätter
4.
Auf Tierhäute
Nachdem die Offenbarungen
verschriftlicht wurden, wurden diese im Hause des Propheten gesichert und
aufbewahrt. Die Verse wurden ordnungsgemäß in den Suren gespeichert. Mit der
Offenbarung von „Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Begnadenden“ begann eine
Sura und wurde zugleich eine vorangegangene beendet. In der Zeit des Propheten
wurden die Suren nicht geordnet.
الَّذِينَ يَتَّبِعُونَ
الرَّسُولَ النَّبِيَّ الْأُمِّيَّ
آمِنُوا بِاللَّـهِ
وَرَسُولِهِ النَّبِيِّ الْأُمِّيِّ