Freitagsansprache von 27.10.2017
von Ayatollah Dr. Ramezani Imam und Leiter des Islamischen Zentrums Hamburg e.V
Im Namen Allahs, des Barmherzigen, des Allerbarmers
Aller
Lobpreis gebührt Gott, dem Erhabenen, dem Herrn aller Welten. Wir
danken Ihm für Seine Gnade und Seine Gaben und bitten Ihn um Hilfe und
Rechtleitung in allem, was wir tun, und hoffen, dass Er uns in Seine
Gunst aufnimmt. Sein Frieden und Segen sei mit unserem Propheten
Muhammad, seinen reinen Nachkommen und seinen rechtschaffenen Gefährten.
O Diener Gottes, ich rate mir selbst und Ihnen allen zur Ehrfurcht vor
Gott und zum Gehorsam gegenüber Seinen Geboten.
Es steht außer Frage, dass
der Lebensstil einer gläubigen Familie sich von dem einer nicht-gläubigen
Familie unterscheidet. In einer Gesellschaft und Familie, in denen religiöser
Glaube herrscht, wird der Lebensraum vom Glauben gestaltet. Wird aber die Religion
in der Gesellschaft nicht mehr so beachtet, und an den Rand gedrückt, geschieht
genau das Gegenteil. Wenn also heute in vielen muslimischen Familien
Differenzen, Auseinandersetzungen, Trennungen oder andere Probleme zu sehen
sind, ist es, weil in der besagten Familie die Religion keine zentrale Rolle mehr
spielt, und materielle Vorlieben, übermäßiger Konsum, große Erwartungen der
Frau oder des Mannes, unangebrachte Einmischung der Bekannten und Verwandten, nicht
mehr an Gott und an die Wiederauferstehung glauben, mangelndes Vertrauen auf
den Koran als Wegweiser fürs Leben, die eigentliche Lebensweise bestimmen.
Wie erkennt man die Wahrheit
des Lebens?
Wenn religiöse Menschen ihr
Leben nach dem richtigen und wahren Glauben planen, sich an Logik, Gerechtigkeit
und Spiritualität halten, und den Geist der Religion in allen Lebenslagen
miteinbeziehen, wird ihr Leben zweifellos erfüllt sein von einer ganz anderen
Wahrheit. Wir wollen hier nicht über die Ursachen und Gründe der heutigen
Situation diskutieren, sondern wollen verdeutlichen, dass ein Muslim einen
tiefsitzenden Glauben haben, und sich in seinen Taten an die religiösen Lehren
halten muss. Denn diese Lehren können die Lebensweise grundlegend verändern.
Dabei dürfen wir aber nicht alles, was geschieht und vorkommt, als das Ergebnis
der religiösen Lehren betrachten und es der Religion zuschieben und sagen, die
Religion macht den Menschen Geist- und Leblos und unerzogen. So eine Denkweise
ist zweifellos eine Ungerechtigkeit gegenüber einer Religion, wie dem Islam,
die den Menschen Seligkeit in der Welt und im Jenseits beschert. Aus diesem
Grund wird auch gesagt, dass die Religion verfremdet ist, denn der Mensch darf
nicht – ohne die Religion erkannt zu haben – alle Versäumnisse, extremistischen
Aktivitäten, Trägheiten, Depressionen und
vieles mehr, der Religion zuschieben.
Ehrbares
Leben im Schatten der Religion
Gemäß
den Koranversen und Überlieferungen, die die Wahrheit der Religion erläutern,
beschert die Religoin dem Menschen ein ehrbares und würdevolles Leben. Was also
wichtig ist, ist, dass man versuchen muss, diesen tiefgründigen Sinn der
Religion in die Gesellschaft einzugliedern, sein Leben damit zu verbinden.
Man
darf nicht vergessen, dass es in einigen muslimischen Familien oder in
muslimischen Gesellschaften Vorkommnisse gibt, die man nicht dem Islam
zuschreiben darf. Denn wie kann man einer Religion, wie dem Islam, die so sehr auf
Verstand, Wissen, Logik, Spiritualität, Forschen und richtige Werte beharrt,
solche Möngel zuschreiben?
Wir
müssen unsere Lebensweise
grundlegend überdenken und jegliche Form von Mängel durch
die richtigen und tiefgründigen Lehren des Islams beheben. Wir dürfen auch
nicht die abwegigen Denkweisen, die in der Gesellschaft propagiert werden –
wie, die Bedeutungslosigkeit des Glauben an den Jenseits, die Verunglimpfung
der göttlichen Lehren, Missachtung aller göttlichen Traditionen und
Verordnungen – auf die leichte Schulter nehmen. Auch die verführerischen
Parolen, wie absolute Freiheit für die Menschen, die dann zur Zügellosigkeit
der Menschheit führen, dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Denn diese
Lebensweise wird jeden einzellnen in der Gesellschaft bedrohen.
Bedeutung
der Familie im Islam
Der
Islam ruft alle Menschen auf, sich vor Gefahren und Bedrohungen zu schützen,
und betont auch besonders die große Bedeutung der Familie und der Gesellschaft.
Aus diesem Grund ist im Islam der Gründung der Familie und der Eheschließung
und deren Verordnungen, und auch der Rechte in der Familie, großen Wert
beigemessen, denn, wenn die Gesundheit der Familie bedroht ist, wird auch die
Gesellschaft Schaden erleiden und auseinanderbrechen. Im Islam ist die
Eheschließung nicht nur für die Befriedigung der Triebe und Kinderzeugen
gedacht, sondern sie soll eine Antwort auf den Ruf der Natur des Menschen sein,
damit der Mensch in dessen Schatten zur Ruhe kommen kann. Aus diesem Grund
wurde auch die „Eheschließung“ als Zeichen Gottes bezeichnet. Gott sagt: „Und
unter Seinen Zeichen ist dies, daß Er Gattinnen für euch aus euch selber schuf,
auf daß ihr Frieden bei ihnen fändet; und Er hat Zuneigung und Barmherzigkeit
zwischen euch gesetzt. Hierin liegen wahrlich Zeichen für ein Volk, das
nachdenkt.“
Da die
Natur des Mannes und der Frau gleich ist, können sie die Grundpfeiler einer
kleinen Gemeinschaft, nämlich die Familie, sein, und wenn sie nun die gegenseitigen
Rechte wahren und die ethischen Aspekte einhalten, können sie das Familienleben
auf bester Weise handhaben, und die entstandene Ruhe auch auf die Gesellschaft
übertragen, um so das Verantwortungsbewusstsein auf die Menschen in dieser
Gesellschaft zu erwecken. Aus diesem Grund bezeichnet Imam Sadegh (gegrüßet sei
er) die zwei „Rak´at“
Tagesgebet eines Menschens, der eine Familie gründete und das Gefühl des
Veratwortungsbewusstsein in sich und seines Ehepartners erweckte, viel
wertvoller als 70 „Rak´at“ Tagesgebet eines Menschen, der noch nicht geheiratet
hat und kein Verantwortungsbewusstsein besitzt. So sagt er: „Die zwei Rak´at
Tagesgebet, die ein verheirateter Mann verrichtet, sind bei Gott viel
wertvoller, als die 70 Rak´at Tagesgebet, die ein lediger Mann verrichtet.“
So ist auch denjenigen, die eine Eheschließung meiden, um Volkommenheit zu
erlangen, davon abgeraten. In den Überlieferungen steht, dass eines Tages eine
Frau zu Imam Sadegh kam und sagte: „Gegrüßet sei der Imam! Ich bin eine
Eremitin.“, der Imam fragte: „Was meinst du mit Eremitin?“ Die Frau sagte: „Ich
heirate nicht.“ Der Imam fragte: „Warum?“ sie sagte: „Ich strebe nach Tugend
und Vollkommenheit.“ Da antwortete der Imam: „Geh und überdenke dein Vorhaben!
Denn wenn in diesem Weg es Tugenhaftigkeit und Vollkommenheit geben würde, so
wäre Fatemeh (gegrüßet sei sie)
dafür geeigneter. Keiner kann tugendhafter sein als sie.“
Schlusswort
Ein
gläubiger Mensch muss die Eheschließung und Gründung einer Familie aus der
Sicht der menschlichen und göttlichen Maßstäben, wie Glaube, Moral und
Frömmigkeit, betrachten, und mit der Einhaltung der Verordnungen der Religion
im Familienleben, und den gesetzlichen und moralischen Verpflichtungen, die
Familie zur Vollkommenheit, Dienerschaft Gottes und Seligkeit in Dies- und Jenseits
führen. So eine Sichtweise bildet in der Familie Ehrlichkeit und
Tugendhaftigkeit, und schafft, mit der Annahme der Gerechtigkeit Gottes und
Glaubens im Leben, eine neue Entwicklung und eine tiefgründige Sichtweise über
das alltägliche Leben.