Freitagsansprache von 24.06.2016
von Ayatollah Dr. Ramezani Imam und Leiter des Islamischen Zentrums Hamburg e.V.
Im Namen Allahs, des Barmherzigen, des Allerbarmers
Aller
Lobpreis gebührt Gott, dem Erhabenen, dem Herrn aller Welten. Wir
danken Ihm für Seine Gnade und Seine Gaben und bitten Ihn um Hilfe und
Rechtleitung in allem, was wir tun, und hoffen, dass Er uns in Seine
Gunst aufnimmt. Sein Frieden und Segen sei mit unserem Propheten
Muhammad, seinen reinen Nachkommen und seinen rechtschaffenen Gefährten.
O Diener Gottes, ich rate mir selbst und Ihnen allen zur Ehrfurcht vor
Gott und zum Gehorsam gegenüber Seinen Geboten.
Im Allgemeinen werden im Islam die Angelegenheiten, welche
die Gemeinschaft betreffen, sehr hoch angesehen. Der Grund dafür ist, dass
viele kollektive Rechtsgesetze im Islam vorhanden sind. Es gibt sehr viele
Beispiele dafür, wie als Erstes die Pilgerfahrt, oder im finanziellen Bereich
die Fünftel- und Zakatabgabe und im Handelsbereich die Gesetze, welche den
Handel als Halal (islamisch gesetzlich erlaubt) oder Haram (islamisch
gesetzlich unerlaubt) definieren. Das interessante ist hier zu sehen, dass alle
islamischen Rechtsgesetze, bis ins kleinen
Detail ausgearbeitet wurden und deshalb auch sehr bedeutsam für die Muslime
sind.
Das Recht des Gebetsrufers und des Gebetsimams
Ein Teil dieser islamischen Rechtsbestimmungen, nehmen den
gottesdienstlichen Bereich ein, welcher auch wiederum kollektiv sein kann, wie
zum Beispiel das Freitags- und das Gemeinschaftsgebet. Jeder dieser Gebete hat
natürlich seine eigenen und zugehörigen Regelungen. Ein Argument für die
gemeinschaftliche Abhandlung des Gottesdienstes ist, dass sich die Bindung der
muslimischen Umma (Gemeinschaft) verstärken und verbessert werden kann. Deswegen
behandelt dieser Teil des „Risalat al-Hughugh“ von Imam Sajjad (Friede sei auf
ihn) zwei gottesdienstliche Rechte, die sehr hohe Belohnungen innehalten. Einmal
das „Recht des Gebetsrufer“ und das „Recht des Gebetsimam“, die für das
Gemeinschaftsgebet relevant sind.
Der Gebetsrufer ist derjenige, der den Gebetsruf ausspricht
und im Prinzip die Gebetszeit bekannt macht. Er ist dafür gerichtet, dass sich die
Muslime für diesen wichtigen gemeinschaftlichen Gottesdienst zusammentreffen,
denn diese Tat wird bei Gott sehr belohnt und ist daher auch sehr bedeutend. In
der vergangenen Zeit nutzen viele Anhänger unterschiedlicher Religionen ein
bestimmtes Mittel oder festgelegte Weisungen, damit sie sich versammeln können.
Ein Musterbeispiel dafür ist, dass Glockenläuten für die Christen, oder das
Benutzen eines Horns (Hupe) für die Juden, oder sogar auch das Nutzen einer
Schellentrommel für die damaligen Römer. Andere wiederum zündeten ein Feuer an
wie zum Beispiel die Majusian [i],
sodass sich durch die Flamme die Menschen sammeln konnten. Eine andere
Gruppierung nutze zum Beispiel für das Versammeln bestimmte große Fahnen.
Nachdem jedoch der Prophet Muhammad (Friede sei auf ihn und seine Familie) all
diese Beispiele gehört hatte, wartete er auf ein Offenbarungszeichen vom Engel
Gabriel (Friede sei auf ihn). Dieses Zeichen von Gott für die Muslime, bekam
der Prophet (Friede sei auf ihn und seine Familie), als er im Hause Imam Alis
(Friede sei auf ihn) verweilt hat. In einer Überlieferung von Imam Sadigh
(Friede sei auf ihn) wird es wie folgt beschrieben: „Gabriel (Friede sei auf
ihn) begab sich zum Propheten (Friede sei auf ihn und seine Familie), als er im
Hause Imam Alis (Friede sei auf ihn) im Schlaf lag. Daraufhin sprach Gabriel
(Friede sei auf ihn) ihm den Gebetsruf (Adhan) und den zweiten Gebetsruf
(Aqama) zu. Danach stand der Prophet (Friede sei auf ihn und seine Familie) auf
und sprach: Mein lieber Ali hast du das gehört? Ali (Friede sei auf ihn) sagte:
Ja lieber Prophet Gottes! Der Prophet erwiderte: Hast du dir es eingeprägt? Ali
antwortete: Ja! Der Prophet (Friede sei auf ihn und seine Familie) sagte: So
bring es Bilal bei und belehre ihn! Danach brachte Imam Ali (Friede sei auf
ihn) Bilal bei, wie man den Gebetsruf ausspricht.“ [ii]
Imam Sajjad benennt ein paar Punkte, welche für das „Recht
des Gebetsrufers“ relevant sind. Der wichtigste davon ist, dass der Gebetsrufer
den Menschen wieder zu seinem Schöpfer erinnert und ihn zur Widmung seiner,
einlädt. Dadurch ist der Gebetsrufer die beste Stütze für das Ausführen des
Pflichtgebets am Tag, welche Gott für alle verpflichtend gemacht hat. Daher
muss man ihn dafür stets dankbar sein und diese auch zeigen.[iii]
Er lädt mit seinem Ruf im Prinzip zur Bindung mit Gott ein, welche daran
erinnert, dass der Mensch einen Teil seines Lebens dem Spirituellen widmen
sollte. Der Wert eines Gebetsrufers ist
genau wegen dieser besonderen Einladung zu Gott, in vielen Überlieferungen enorm
hoch. Das ist auch der Grund dafür, dass dieser viel in den religiös
gesetzlichen Bücher benannt und beschrieben wurde, in welche Interessierte
diesbezüglich dort nachschlagen können.
Der Wert eines Gebetsrufers in den Überlieferungen
In einer Überlieferung wird gesagt, dass wenn ein Gebetsrufer
den Gebetsruf mit der Zufriedenheit Gottes ausübt, viel Belohnung dafür erhält.[iv]
Generell kann man sagen, dass die Aufgabe des Gebetsrufs, zur kollektiven
Abhandlung der wichtigen Verpflichtung Gottes darstellt.
Das Recht des Imams des Gemeinschaftsgebets
Nachdem wir uns nun mit dem „Recht des Gebetsrufers“
beschäftigt haben, ist es auch wichtig das „Recht des Imam des
Gemeinschaftsgebets“ kennen zu lernen. Denn einerseits ist er die leitende
Figur für das Gemeinschaftsgebet der Menschen, welche durch den Gebetsruf
versammelt worden sind, aber auch andererseits die Quelle für das Erstreben der
absoluten Vollkommenheit des Menschen. Durch seine Leitung wird die Beziehung zu
Gott näher gebracht und führt dazu, dass man zur aufrichtigsten Bescheidenheit
mit dem Schöpfer erlangt. Imam Sajjad (Friede sei auf ihn) beschreibt nun
dieses Recht wie folgt: „Und nun das Recht des Imam des Gemeinschaftsgebets ist
wie folgt: Du muss wissen, dass er die Aufgabe hat dich mit Gott
zusammenzuführen und zu nähern. Seine Aufgabe ist, dass er für dich als Vertretung
vor Gott spricht, du jedoch nicht als seine Vertretung sprechen kannst. Er für
dich Bittgebete spricht, du jedoch nicht für ihn Bittgebete sprechen kannst. Er
für dich bestimmte Wünsche macht, du jedoch nicht für ihn machen kannst. Er
nimmt für dich die wichtige Stellung ein, dass er für dich vor Gott steht und
für dich vor Gott erfragt, jedoch du nicht dafür geeignet bist dies zu tun. Und
wenn ein Makel bei seiner Handlung gefunden wird, so betriffst es ihn und nicht
dich. Wenn er Sünden begeht, so bist du nicht daran beteiligt und er ist dir
auch nicht höher gestellt. Er ist wie ein Schutzschild für dich, genauso wie
sein Gebet ein Schutzschild für dein Gebet ist. Aufgrund dieser Eigenschaften
müssen wir stets Gott danken, und es besteht keine Kraft außer durch Gottes
Willen.“[v]
Die Philosophie des vorgeschriebenen Gemeinschaftsgebets
Ein wichtiger Punkt sollte man in der Charakteristik
des Gemeinschaftsgebets und deren Philosophie seiner Gesetzesmäßigkeit wissen,
da das Gemeinschaftsgebet selbst sehr viele positive Einflüsse besitzt. Ein
Beispiel dafür ist der kollektiv ausgeübte Gottesdienst im Qiyam (Aufrichtung
im Gebet), Ruku (Beugung im Gebet) und Sajda (Niederwerfung im Gebet) und auch
in den anderen Gebetsabschnitten, welche besondere Wirkungen bei den einzelnen
Mitbetenden beinhalten. Im Weiteren können die Gläubigen anhand der Befolgung
des Gemeinschaftsgebets, Ordnung und Disziplin beibehalten. Außerdem wird auch
dadurch eine gewisse Bindung von Herzlichkeit und Verständnis unter dem
muslimischen Brüdern gewonnen. Dadurch wird im Laufe des Lebens die
Vertrautheit zueinander immer mehr gestärkt, da man auf die Lebenslagen
untereinander stets aufmerksam wird. Überdies zeigt sich in diesem religiösen
kollektiven Ritual, jede Art von Gottesfurcht, ganz gleich ob Mann oder Frau, reich
oder arm, schwarz oder weiß. Es ist wichtig zu benennen, dass die Gläubigen,
welche aufrichtig und stetig das Gemeinschaftsgebet verrichten, einen engen
Bezug zum wahrhaftigen Lebensstil eines Gottesdieners besitzen. Die Gründe
dafür sind zum Beispiel: Das Beten anfangs der Gebetszeit, die kollektive Praktizierung
eines Gottesdienstes, das Verzichten auf alle materiellen Dinge zu einer
bestimmen Zeit, die Achtung auf den eigenen Glaube und die Gotteswidmung des
besten Augenblicks am Tag. Es ist dringend erforderlich zu erwähnen, dass sich
der Mensch niemals von seinem Lebensziel entsinnen und sich somit von den
vielen Segen Gottes entfernen lassen soll. Sondern eher tagtäglich die
Handlungen auszuführen, die Gott mehr zufrieden zu stellen. Daher erhält das
Gemeinschaftsgebet in den Koranversen und in den Überlieferungen einen
besonders hohen Rang. Imam Ridha (Friede sei auf ihn) besagt hierzu: „Das
Gemeinschaftsgebet wurde deshalb gesetzmäßig festgelegt, da die wahre
Aufrichtigkeit (auch Khulus genannt) des Gottesdienst nur dann erlangt werden
kann, wenn man diese in der Öffentlichkeit austrägt! Denn dieses öffentliche
Austragen des Gemeinschaftsgebets ist
zunächst erst mal ein Beweis Gottes für alle Menschen, egal ob im Osten oder
Westen der Welt. Außerdem ist es ein weiterer Beweis sowohl für die Heuchler,
als auch für den, der das Gebet auf die leichte Schulter nimmt, sodass sie für
die Dinge, an die sie glauben wirklich praktizieren können. Darüber hinaus ist
es dafür dar, damit man den Islam und die Verantwortung ihm demgegenüber
öffentlich reflektiert. Hinzukommend agiert
es auch für die Bekundung und Bekenntnis der Muslime untereinander. Des
Weiteren ist hinzuzufügen, dass bei der Praktizierung des Gemeinschaftsgebets
die Muslime sich gegenseitig unter die Arme greifen und somit Gutes tun können,
sodass Raum der Wohltätigkeit für die Menschen leichter verschaffen werden
kann. Viele Entgleisungen und Frevel werden vor allem durch das Gemeinschaftsgebets
verhindert.“[vi]
Das Gemeinschaftsgebet als Element für
Einheit und Zusammenhalt in der Gesellschaft
Ein wichtiger Punkt in Bezug auf das
Gemeinschaftsgebet, welche durch die Leitung des Gemeinschaftsimam ausgeführt
wird, ist grundsätzlich die kollektive Ausübung des Gottesdienstes. Denn
dadurch gerät die Gesellschaft zu einem einheitlichen Standpunkt der wahren
Lebensform eines Gläubigen, sodass man durch dieses Mittel leichter zum
eigentlichen Lebensziel der Schöpfung gelangen kann. Es ist sehr eindeutig,
dass die verschiedenen und prägnanten Aspekte einen sehr wichtigen Teil, für
die spirituelle Steigerung der Menschen in der Gesellschaft erfüllen. Diese
prägnanten Aspekte können wie zum Beispiel der Glaube an Gott, das Ersuchen zu
seiner Näherung und das Empfinden seiner ständigen Anwesenheit sein. Daher
sollten wir durch gegenseitige Beihilfe stets versuchen, uns zu diesem wahren
Lebensweg anzuschließen. Der Gemeinschaftsimam (genauer gesagt der Imam des
Gemeinschaftsgebets) erfüllt erst dann seine Verpflichtung als wahrhaftige Führung
dieser Einheit, sobald er seine Leitung richtig zu handhaben weiß und die
Menschen zur Quelle der wahren Geistigkeit lenkt. Diese ganzen Faktoren werden
erst dann erlangt, wenn die Zuwendung und Interesse der Mitbetenden (die hinter
dem Gemeinschaftsgebetsimam stehen) zur Gottesnäherung besteht. Infolgedessen
ist es für den Mitbetenden notwendig sein Recht diesbezüglich genau
nachzukommen. Genauso auch für den Gebetsrufer, welcher jeden auf diesen
gemeinschaftlichen Gottesdienst hinweist.
[ii]
„..“(Kulaini, Muhammad ibn Yaghub, Al-Kafi, Band 3, Seite 302, Hadith2, Dar
al-Kitab al-Islamiyya, Vierte Auflage, Jahr 1407 (Mondjahr). Und Ibn Babibwai,
Muhammad ibn Ali, Man la yadhuruhu al-Faghih, Band 1, Seite 282.)
[iii]
„Das Recht eines Gebetsrufers ist, dass man wissen muss, dass er dich zu Gott
erinnert und er dafür eine Stütze ist, sodass du die Verpflichtung Gottes
abhalten kannst. So sei stets für seine Aufgabe dankbar, genauso wie du für
jemanden der dir Gutes tat, dankbar bist. Du
sollst ihn nicht für seine Gottestat in Zweifel bringen, denn du musst wahrlich
wissen, dass er ein Gottessegen für dich ist. So zeige stets überall
Dankbarkeit für dieses Segen Gottes und es gibt keine Kraft außer durch den
Willen Gottes.“ (Ibn Shabi Harani, Hassan ibn Ali, Qom, Tuhaf al-Ughul, Seite
265).
[iv]
Wie zum Beispiel die Überlieferung vom Propheten Muhammad (Friede sei auf ihn
und seine Familie): „Gott verzeiht dem Gebetsrufer seine Sünden bis zu dem
Punkt wo der Gebetsruf erreicht wird. Und alles Trockene und Nasse, wo der
Gebetsruf hinreicht, spricht für ihn Vergebung aus.“ (Al-Imam Ahmad ibn Hanbal,
Musnad Ahmad, Band 2, Seite 136, Beirut, Dar Sadir, ohne Datum). Und auch in
der Überlieferung von Imam Sadigh (Friede sei auf ihn), der besagte: „Jeder
Mensch, der zehn Jahre in seinem Leben für die Zufriedenheit Gottes den
Gebetsruf ausspricht, wird Gott ihm für das Erreichen seiner Laute und Sicht in
den Himmel, seine Sünde verzeihen. Und alles Trockene und Nasse, welches seinen
Gebetsruf erhört, wird ihn bestätigen. Und bei jedem Gebet, das in dem
Gebetshaus (Masjid) ausgeführt wird, ist er in der Belohnung Gottes mit
einbezogen, sodass jeder Betende, der seinen Ruf hörte, einen bestimmten Teil von
der Belohnung und Gabe beteiligt ist.“ (Tusi, gleiche Quelle, Band 2, Seite
284, Hadith 1131.).
[v]
Ibn Shabi Harani, Hassan ibn Ali, Qom, Tuhaf al-Ughul, Seite 265
[vi]
Imam Ridha (Friede sei auf ihn) besagt: „…“(Ibn Babiwai, Muhammad ibn Ali, Uyun
Akhbar al-Ridha (aleihi al-salam), Band 2, Seite 109).